Leopold Friedrich Günther von Goeckingk

Der Frühlingsmorgen

Dieser Tag ist gänzlich mein!
Und der Himmel ist so blau,
Und die Tröpfchen Morgentau
Blinken so im Sonnenschein',
Und die Tauber laufen so
Hinter ihre Täubchen her,
Und die Spatze, närrisch froh,
Tanzen in die Kreuz und Queer,
Und die Hühner wälzen sich
In dem warmen Sand' herum,
Und die Hähne fliegen mich,
Blind vor Freuden, um und um;
Alle Schnäbel, grad' und krumm,
Wetzen sich zu Streit und Kuss,
Und der Truthahn, stolz und dumm,
Steht da, ärgert, brüstet sich,
Wie ein junger Kritikus,
Und der Pfau, mit seinem Schweif',
Tritt einher so keck und steif,
Wie die hochgebornen Herrn
Mit erkrochnem Ordensstern'.
Alles ziehet in die Brust
Neues Leben, neue Lust,
Mit der Frühlingsluft hinein!
Alles schenkt' ich heute hin,
So zufrieden wie ich bin!
Selbst der Bosheit Spötterein
Nähm' ich heute lachend hin,
So zufrieden wie ich bin:
Denn der schöne Tag ist mein!
Heut' ist alles möglich mir,
Was mir sonst unmöglich ist!
Willst du Lieder, Ruhmbegier?
Heute säng' ich Eins, so schön
Wie von Gleimen, Nantchen küßt:
Aber, laß mich heute gehn!
Bringst du Akten, Dienstbegier?
Heute referirt' ich schier
Aus Geschmiere, bunt und kraus,
Etwas menschliches heraus:
Aber, packe dich von hier!
Schade wär' es, diesen Tag
So verschleudern, so entweihn.
Renn' um Ehre, wer da mag!
Wär' es auch mein Sterbetag,
Dennoch wollt' ich mich erfreun!
Sattelt! sattelt! ich muss hin
Zu der großen Königin
Meines Herzens! durch den Hain,
Uber Graben, Stock und Stein,
Reit' ich heute ohne Scheu,
Heut' einmal recht sorgenfrei
Mit der Sängerin zu sein.
An dem Riesenhöhlenbach'
Wollen wir uns lagern, ach!
Wollen da so fröhlich sein
Wie die Vögelchen im Hain';
Wollen da auf ihrem Schoß'
Tafel halten, und du Moos
Sollst uns wiegen, und du Hain
Sollst ein Wiegenlied dazu
Singen, und du Linde du,
Statt des Sonnenschirmes sein.
Zäumt den Rappen! ich muss hin
Zu der Liedersängerin!
Welt! wie bist du heute schön!
Was da siehet, starrt dich an,
Doch, wer Nantchen sehen kann,
Wird auf dich nicht lange sehn;
Und, o Glück, ich bin der Mann?
Und die deutsche Sapho soll
Ruhn in diesem Arme hier?
Clive! tauschtest du mit mir?
O gewiß, du tauschtest wohl,
Aber ich nur nicht mit dir.
Hast Guineen Säcke voll,
Geh, und kaufe denn dafür
Ihre Freud' und ihren Scherz,
Ihre Lieder und ihr Herz!
Denk' einmal, das kostet mir
Nur ein wenig wenig Schmerz.
Bringt den Rappen! ich muss hin
Zu der Freudengeberin!
Zwar ihr Herz ist immer mein:
Aber ach! die Hand! die Hand! -
Zwinge mindstens in kein Band,
Liebes Glück! sie sträubend ein!
Laß sie, laß sie mein noch sein!
Und, wo nicht, so bitt' ich dich,
Wiege heute Sie und mich,
Brust an Brust, zum Schlummer ein,
Aus dem Rausch' der Freuden, ach!
Mit dem Morgenrote, wach
In Elysium zu sein.

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