Heinrich Seidel: Glockenspiel

I. BILDER UND IDYLLEN


SYMPHONIEKONZERT IM FREIEN

2. DANSE MACABRE

Ein andermal. – Es war ein schwüler Tag,
Und Wolkenberge thürmten sich im Westen.
Und sieh, auf einmal sind die Sonnenkringel;
Die auf den Tischen und dem Boden tanzen,
Hinweggelöscht. Und dunkler wird es nun,
So lauersam die Luft, und in der Ferne
Ein dumpfes Grollen dann und wann. Und horch!
Nun kommt's herauf und übertönt gewaltig
Der Instrumente laut' Zusammenspiel.
Hei, anders klingt es doch, als im Orchester
Des Kontrabass' ohnmächtiges Geknurze!
Vorsicht'ge brechen auf, um Schutz zu suchen.
Unruhe rings, doch die Musik fährt fort,
Geborgen unter wettersichrem Dach. –
Nun ist's heran – es schleudert sich der Sturm
In Lindenwipfeln, Regen braust herab,
Und alles flüchtet, alles rettet sich.
Und Blitz auf Schlag und Schlag auf Blitz, es reiht
An Donner Donner sich zur mäcbt'gen Kette! –
Jedoch der Meister schwenket unbeirrt
Den Taktstock. Weiter geht das Stück.
Ich hör es heut noch, wie es seltsam klang:
Der „danse macabre“ war es von Saint Saens,
Ein geistreich Ding, gar listig ausgetüftelt.
Ein Totentanz von Kavaliergerippen,
In deren Knochen noch die Grazie steckt,
Und deren Schädel noch verbindlich grinsen! –

Allein wie blechern klang sein öd Geklapper
Nun bei des Himmels Donnerharmonieen!

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